Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zum Diskussionsentwurf für staatsvertragliche Regelungen zu Compliance und Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom Dezember 2022

31.01.2023

Die Rundfunkkommission der Länder hat im Dezember 2022 einen Diskussionsentwurf für
staatsvertragliche Regelungen zu Compliance und Transparenz des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks veröffentlicht. Die Möglichkeit zur Stellungnahme nimmt die Vereinte
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gerne wahr.

ver.di vertritt mit mehr als 30.000 Mitgliedern in der Fachgruppe Medien, Journalismus und Film
die Beschäftigten in Rundfunk und Produktionswirtschaft und hat mit etwa 1,9 Millionen
Mitgliedern aus allen gesellschaftlichen Bereichen einen weiten Blick von Nutzer*innen auf den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

ver.di begrüßt eine Konkretisierung und bessere Durchsetzung der Transparenz- und
Kontrollvorgaben für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind als durch die Allgemeinheit finanzierte,
gemeinwohlorientierte Organisationen zu besonderer Transparenz über die Verwendung ihrer
Mittel verpflichtet. Auch aus dem journalistischen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
Politik und Wirtschaft kritisch zu durchleuchten, erwachsen zusätzliche Transparenzpflichten, da
er diesem Auftrag nur gerecht werden kann, wenn er selbst als glaubwürdig gilt. Diese
Glaubwürdigkeit lebt auch von guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung und
Verwendung der Beitragsgelder. Transparenz über wirtschaftliches Handeln ist idealerweise
vertrauensbildend, in jedem Falle aber für die Glaubwürdigkeit unverzichtbar. Hierzu müssen die
Rundfunkanstalten durch Aufsichtsgremien und Rechnungshöfe effektiv wirtschaftlich
kontrolliert werden.

Forderungen, mehr Transparenz über die Beitragsverwendung zu schaffen und die Kosten jeder
einzelnen Sendung offenzulegen, stehen seit Langem im Raum.1
Jedoch ließen sich in den letzten Jahren keine nennenswerten Transparenzoffensiven der Sender erkennen.
Auch die Wirksamkeit der Gremienaufsicht steht in Frage. So haben die Enthüllungen über den
RBB vom Sommer 2022 veranschaulicht – so stellt es sich zum aktuellen, noch
 unabgeschlossenen Ermittlungsstand dar –, dass ein Kontrolldefizit Misswirtschaft an der
Senderspitze begünstigte und mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden eine zur Kontrolle berufene
Person selbst in die Misswirtschaft verwickelt ist.

Daher begrüßt ver.di das Anliegen der Rundfunkkommission der Länder, die gesetzlichen
Vorgaben für Transparenz und Compliance in den Rundfunkanstalten zu konkretisieren. Zentral
wird aber auch eine Intensivierung der Kontrolle über die Einhaltung der neuen und bereits
bestehenden gesetzlichen Vorgaben sein.
Mehr Transparenz der Anstalten und ihrer Gesellschaften gegenüber der Öffentlichkeit
ist angemessen und vertrauensbildend.

Der nötigen Transparenz der Rundfunkanstalten wäre es förderlich, wenn sie grundsätzlich, wie
andere Behörden auch, den Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetzen der jeweils
zuständigen Länder unterlägen – mit Ausnahme redaktionell-journalistischer Informationen. Der
Informationszugang für natürliche und juristische Personen mit Sitz in Deutschland sollte nach
dem Vorbild des § 47 NDR-Staatsvertrag vom März 2021 für alle Rundfunkanstalten
festgeschrieben werden.

Die neuen Vorgaben in § 31a des Diskussionsentwurfs zur Veröffentlichung von Bezügen der
Intendant*innen, Direktor*innen sowie der Personen mit außertariflichen Gehältern sind zu
begrüßen. Leistungen, die diese Personen aus mit ihrer Position verbundenen Tätigkeiten bei
Tochter- und Beteiligungsgesellschaften gewährt werden, sollten grundsätzlich einer
Abführungspflicht unterliegen. Sämtliche dieser Regelungen gilt es zusätzlich für die Leitungen
der Beteiligungsgesellschaften, Tochterunternehmen und Gemeinschaftseinrichtungen
vorzuschreiben.

Im Sinne der Transparenz sollten ebenso die Aufwandspositionen für die einzelnen
Programmgenres (Information, Dokumentation, Serien, Krimis, Unterhaltungsshows etc.)
offengelegt werden.

Auskömmliche personelle Ausstattung und Anlehnung an anerkannte Standards sind
notwendige Voraussetzungen für wirksame und überprüfbare Compliance
ver.di befürwortet die Regelung in § 31b des Diskussionsentwurfs, ein Compliance Management
System nach anerkannten Standards in den Rundfunkanstalten zu etablieren. Ein angemessenes
und wirksames Compliance Management System hat nicht nur präventive Wirkung, sondern
„kann im Falle eines eingetretenen Compliance-Regelverstoßes auch eine bußgeldmindernde
Wirkung entfalten.“

Die Rundfunkanstalten sollten verpflichtet werden, die Compliance-Stellen personell so
auszustatten, dass die übertragenen Kontrollaufgaben in den komplexen Organisationen
realistisch bewältigt werden können.

Gremienaufsicht kann durch mehr personelle Vielfalt, unabhängigere Strukturen und
mehr Transparenz und Sichtbarkeit ihrer Tätigkeit gestärkt werden
Die Aufsicht über die Rundfunkanstalten obliegt zunächst den Rundfunk-, Fernseh- bzw.
Hörfunkräten sowie den Verwaltungsräten. Diese sind aus Ehrenamtlichen zusammengesetzt.
ver.di befürwortet die vorgesehene Regelung, in den Verwaltungsräten bestimmte fachliche
Kompetenzen durch die Qualifikation einzelner Mitglieder sicherzustellen, wie es im WDRGesetz § 20 (2) von 2021 bereits der Fall ist.
Aus der Belegschaft (Feste und Freie) gewählte Vertreter*innen in allen Verwaltungsräten mit
Stimmrecht – nach Vorbild § 14 (3) des Radio-Bremen-Gesetzes von 2021 – und eine
verpflichtende Konsultation gewählter Belegschaftsvertreter*innen vor allen finanzwirksamen
Entscheidungen sind zudem eine erforderliche Ergänzung, um die Entscheidungen der Gremien
mit den Arbeitsrealitäten im Sender rückzukoppeln.

Analog zu den Regelungen in §§ 22 (6) und 25 (6) der Staatsverträge zum ZDF sowie zum
Deutschlandradio sollte neben der Zusammensetzung der Gremien die Zugehörigkeit der
Mitglieder in den jeweiligen Ausschüssen veröffentlicht werden. Die Tagesordnungen aller
Sitzungen gilt es im Vorfeld sowie im Nachgang die wichtigsten Ergebnisse für die Öffentlichkeit
zugänglich zu machen – unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimisse sowie
personenbezogener Daten Betroffener. Auch bei Entscheidungen eines Verwaltungsrats über
Abschluss eines außertariflichen Vertrags oder über Verträge mit freien Mitarbeiter*innen sind
diese Vergütungen als Teil der Beratungsergebnisse zu veröffentlichen.

Um ihrer Aufsichtsfunktion nachkommen zu können, sind die ehrenamtlichen Gremien auf
unabhängige Informationen angewiesen. Bislang stützen sich viele Entscheidungen der Gremien
auf zugelieferte Informationen aus den Abteilungen der Rundfunkanstalten, die per se nicht
neutral sein können. Daher befürwortet ver.di die Vorgabe, die Gremiengeschäftsstellen seien
angemessen mit Personal- und Sachmitteln auszustatten. Diese Ausstattung muss in Anlehnung
an § 4a des 2022 novellierten Gesetzes über den Hessischen Rundfunk im Einvernehmen mit
den Gremienvorsitzenden beschlossen werden und muss garantieren, dass die Geschäftsstellen
sämtliche Zuarbeit für die Gremienbefassungen aus eigener Kraft zu liefern imstande und dabei
nicht auf die Unterstützung aus den Rundfunkanstalten angewiesen sind. Mindestens müssen
sie sachlich fundierte, kritische Einordnungen zugelieferter Informationen bereitstellen können.
Nicht nur die Gremienvorsitzenden, sondern sämtliche Gremienmitglieder müssen bei Bedarf
inhaltlich von ihrem Gremienbüro unterstützt werden. Bei Bedarf müssen die Gremien externe
Gutachten in Auftrag geben können.

Aufgabe der Rundfunk-, Fernseh- und Hörfunkräte ist, die gesellschaftliche Kontrolle über das
Programm der Rundfunkanstalten sowie dessen Rückbindung an die Interessen der
Nutzer*innen sicherzustellen. Die Räte tragen dafür Sorge, dass die Vielfalt der Gesellschaft und
der Meinungen in den Programmen abgebildet wird und die verschiedenen gesellschaftlich
relevanten Gruppen Zugang zum Programm haben. Inwiefern die Gremien dieser Aufgabe
vollumfänglich nachkommen können, steht aufgrund der geringen sozialen Vielfalt unter den
Gremienmitgliedern und der Seltenheit von Konsultationen von Vertreter*innen
gesellschaftlicher Minderheiten in Frage.

Reformen sollten mehr gesellschaftliche Vielfalt in den 
Räten anstreben, wofür auch finanzielle Kompensation für Freistellungen von der Erwerbsarbeit
(bei bis zu über 30 vorbereitungsintensiven Sitzungen pro Jahr) ein wichtiger Faktor sein kann,
um Delegierte als tatkräftige ehrenamtliche Gremienmitglieder ungeachtet der Finanzstärke der
sie entsendenden Organisationen zu gewinnen. Auch sollten Entsendeorganisationen dazu
verpflichtet werden, Personen unterschiedlichen Alters, sozialen Hintergrunds, Religion, sexueller
Orientierung und Identität sowie Behinderung zu delegieren. ver.di begrüßt die Vorschrift, dass
Mittel zur Fort- und Weiterbildung der Gremienmitglieder zur Verfügung gestellt werden
müssen.

Die Aufwandsentschädigungen der Gremienmitglieder variieren zwischen den
Rundfunkanstalten stark (ab 264 Euro pro Jahr bis hin zu 2.800 Euro pro Monat). Um die
Unabhängigkeit der Aufsichtsgremien von der beaufsichtigten Rundfunkanstalt zu stärken, wäre
auch ein Umdenken bei den Aufwandsentschädigungen sinnvoll. Psychologisch sicherlich nicht
nachteilig wäre, diese – in angemessener Höhe – von einer Dritten Stelle auszubezahlen, statt
von der beaufsichtigten Rundfunkanstalt.

Der demokratischen Funktion der Räte wäre aber auch eine Öffnung für die Gesellschaft
angemessen. Wenn diese Gremien als Mittler zwischen Nutzer*innen und Rundfunkanstalt
fungieren sollen, müssen sie ihre Arbeit und ihre Entscheidungen der Gesellschaft gegenüber
aktiv transparent machen. Auch sollten die Räte den Dialog mit der Gesellschaft suchen. In der
Sichtbarmachung effektiver Kontrolle und Wirksamkeit der Hörfunk-, Fernseh-, Rundfunk- und
Verwaltungsräte über die Anstalten liegt Potenzial für das Vertrauen der Nutzer*innen in den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Für die konkreten Vorschläge und Fußnoten siehe PDF.