Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zur FFG-Novelle 2025

13.03.2023

Menschen machen Filme – die deutsche Filmförderung muss die Beschäftigungsbedingungen der Filmschaffenden stärker in den Blick nehmen und dem Fachkräftemangel begegnen.

Vorbemerkung


Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) bedankt sich für die Einbeziehung
in das Novellierungsverfahren zum ab 2025 in Kraft tretenden nächsten Filmförderungsgesetz (FFG). Wir nutzen mit der Stellungnahme die Gelegenheit, den Referenten-Entwurf vom 15. Februar 2024 sowie am Rande auch die damit vorgelegten
Diskussionsvorschläge zu weiteren Gesetzesvorhaben zu kommentieren.

Aus Sicht von ver.di muss die Förderung des kreativen Potenzials der deutschen Filmschaffenden im Zentrum der Filmförderung stehen. Denn die Beiträge der Filmschaffenden machen den besonderen Wert der geförderten Filmprojekte erst aus. Filme
werden von Menschen gemacht. Daher begrüßen wir, dass die Filmschaffenden,
ihre Arbeitsbedingungen und Grundlagen kreativen Schaffens stärker in der Ausgestaltung der Filmförderung berücksichtigt werden als es in der aktuell geltenden Fassung des FFG geschieht. Deshalb wird diese Stellungnahme sich im Wesentlichen
mit dem § 80 des FFG-Entwurfes befassen.

Grundsätzlich haben wir als Gewerkschaft, die in allen Branchen-Bereichen des Geltungsbereichs des FFG Mitglieder organisiert, hohes Interesse an einem wirkungsvollen Fördersystem für Filmproduktion für Kino, Serien insbesondere für SVOD-Streamingdienste etc. und internationale Filmproduktionen am deutschen Produktionsstandort, genauso wie für ein breites und modernes Netzwerk von Kinobetrieben. Mit der FFG-Novelle und den Vorschlägen zu Förderinstrumenten wie einem Investitionsverpflichtungsgesetz und einem Filmförderzulagengesetz wird ein ganzheitlicher Ansatz für ein Fördersystem beabsichtigt, der den deutschen Filmproduktionsstandort stärken kann. Vor allem dann, wenn damit auch die Beschäftigungsqualität durch tarifgebundene Arbeitsverhältnisse und soziale Absicherung der auf Projektdauer beschäftigten Filmschaffenden verbunden wird.

Zu den dahingehenden Vorschlägen in dieser FFG-Novelle nehmen wir mit den folgenden Bewertungen und eigenen Vorschlägen Stellung.

1. Zu § 80 Abs. 1 -3 Angemessene Beschäftigungsbedingungen
Die in diesem neuen § 80 vorgesehene Bindung der Zuerkennung von Referenzmittelförderung an die zwingende Vorgabe zur tarifvertraglich vereinbarten oder daran angelehnten Entlohnung ist ein begrüßenswerter erster Ansatz für eine angemessene Beschäftigungsbedingung. Es ist auch ein Erfolg der auch von ver.di nachdrücklich vorgetragenen Forderung, eine solche Regelung im FFG zu verankern.

Nur kann die Beschäftigungssituation in ihren sozialen Belangen und den Arbeitsbedingungen nur unzureichend als angemessen bewertet werden, wenn nur die Entlohnung in tarifvertraglicher Höhe als Kriterium herausgegriffen wird. Nur unter Berücksichtigung der gesamten Branchentarifregelung bestehend aus spezieller Arbeitszeit und vielfältigen weiteren Beschäftigungsregelung für auf Produktionsdauer beschäftigte Filmschaffende und damit zusammenhängenden Tarifregelungen kann es zu einer angemessenen Gesamtausprägung einer angemessenen Beschäftigung kommen.

Deshalb sollte in Satz 1 des Abs. 1 formuliert werden:
(1) Bei mit Referenzmitteln herzustellenden Filmen müssen tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Mindestbedingungen, die sich an bestehenden Branchen-Tarifverträge anlehnen, zu Entlohnungen und den weiteren Beschäftigungsbedingungen vorgesehen werden.

Damit soll trotz der positiven wie negativen Koalitionsfreiheit für Produktionsunternehmen sichergestellt werden, dass es bei nach dem FFG geförderten Produktionen keine Unterbietung von Mindestarbeitsbedingungen, die in Branchentarifverträgen
festgehalten werden, stattfindet. Förderung wird damit zu einer nachhaltigen Entwicklung des Arbeitsmarktes und Erhalt der Fachkräfte-Situation am nationalen
Filmproduktionsstandort beitragen.

Sicher zu stellen ist durch die Prüfung des Gesetzentwurfes, dass diese verbindliche Vorgabe im FFG auch konform zu EU-Recht ist und die beabsichtigte Wirkung eine rechtssicher beständige Förder-Vorgabe bleiben wird.

Der Satz 2 des Abs. 1 zielt auf eine angemessene Alterssicherung für die auf Produktionsdauer beschäftigten Filmschaffenden ab, bleibt in der vorliegenden Formulierung allerdings hinter der offensichtlichen Absicht zurück. Für Filmschaffende stellt sich aus der besonderen Art der häufig sehr kurzzeitig befristeten Beschäftigung sowie der nicht kontinuierlichen Beschäftigung im Jahresverlauf und der Berufskarriere eine besondere Herausforderung an die zu bestimmende Angemessenheit. Die bisherige Formulierung geht nicht ausreichend auf die tatsächlich zu erfüllende Erwartung und letztlich wohl beabsichtigte Vorgabe an den Filmhersteller ein.

Denn abzielen muss so eine Vorgabe auf eine zusätzlich zu den zu entrichtenden Beiträgen zur gesetzlichen Rente auch auf eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) die ebenfalls gesetzlich bestimmt wird oder darüber hinaus in branchenüblichen Tarifverträgen ausgestaltet wird. Tarifvertragliche Regelungen werden ebenso wie in den grundlegende Tarifwerken für die Arbeitsbedingungen in jedem Fall die typische Beschäftigungsform angemessen berücksichtigen. Aktuell wird dazu in Tarifverhandlungen zwischen dem maßgeblichen Arbeitgeberverband Produktionsallianz einerseits sowie andererseits ver.di und der Schauspielgewerkschaft BFFS an einem Branchentarifvertrag zur bAV gearbeitet. Der Satz 2 des Abs.1 sollte deshalb diese Sozialstandards zur Alterssicherung beinhalten.

Zudem muss der Hersteller ein die gesetzliche Altersvorsorge ergänzendes Angebot einer betrieblichen Altersvorsorge unter Anwendung einer ggf. branchenüblichen Tarifregelung für die nur auf Produktionsdauer des Films Beschäftigten sowie für das unbefristet beschäftigte Personal gewährleisten. Ebenso sollen auch für Film- und Fernsehschaffende, die vom Hersteller als Selbstständige in einer Filmproduktion beschäftigt werden, ein vergleichbares über die geetzliche Altersvorsorge hinausgehendes Angebot zur zusätzlichen Alterssicherung angeboten werden.

Für Filmschaffende reichen die in den kurzen und nicht kontinuierlichen Beschäftigungszeiten entstehenden gesetzlichen Rentenansprüche in aller Regel nicht zu einer existenzsichernden Rentenleistung aus. Aus sozialen aber auch wirtschaftlichen Gründen für Sozialversicherung und Institutionen der staatlichen Grundsicherung is bereits im Erwerbsleben von Filmschaffenden auf eine ausreichende und den Beschäftigungsbedingungen angemessene Beitragsleistung in zusätzliche Säulen der Alterssicherung und damit auch der bAV großer Wert zu legen.

Arbeit soll zum angemessenen Lebensstandard, Vereinbarkeit von Arbeit und Leben sowie später zu einem existenzsichernden Alterseinkommen führen, das sind Selbstverständlichkeiten, die allerdings für Filmschaffende nur mit den o.g. nachgeschärften Vorgaben für die Filmförderung erreichbar sein werden.
Begrüßenswert ist, dass in Abs. 2 und 3 die weitergehenden Ausgestaltungen dieser verbindlichen Vorgaben für Arbeitsbedingungen und Alterssicherung von der FFA vorgenommen werden können. Dadurch kann auf konkrete Entwicklungen reagiert und eine dem gesetzlichen Ziel möglichst nahekommende Entwicklung der Vorgaben stattfinden. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung des Begriffs „weitere Anforderungen“ als über die zuvor bereits genannten Anforderungen hinausgehende Vorgaben zu verstehen.

2. Berücksichtigung von sozialen Mindeststandards und Arbeitsbedingungen in den weiteren Säulen der Filmförderung
Diese genannten Selbstverständlichkeiten werden mangels einer der in § 80 FFG (neu) entsprechenden Regelung in den Diskussionsvorschlägen zum Investitionsverpflichtungsgesetz und einem Filmförderzulagengesetz für wesentliche Förderbereich bisher nicht vorgesehen. Das ist nicht nachvollziehbar. Gerade diese Produktionen müssen durch gleichartige verbindliche Vorgaben zu Arbeits- und Alterssicherungsbedingungen ebenfalls in EU-rechtskonformer Weise zur Gewährleistung von angemessenen Beschäftigungsbedingungen verpflichtet werden. Der Vorschlag für die weitere Diskussion dieser Gesetzesvorhaben wird daher sein, die entsprechend unseren Vorschlägen nachgeschärften Bestimmung des § 80 FFG (neu) auch in diesen
beiden Gesetzen aufzunehmen.

3. Zusammensetzung des FFA-Verwaltungsrates
Wir begrüßen die uneingeschränkte Berücksichtigung der für die Film und Fernsehbranche sowie Kinowirtschaft zuständigen Gewerkschaft ver.di mit einem Sitz im Verwaltungsrat. Dem Bemühen um eine zu erreichende Geschlechter-Parität in diesem Gremium der FFA sieht sich ver.di ebenfalls verpflichtet.

4. Sonderbudget Weiterbildungsförderung
Bereits in vorhergehenden Novellierungen des FFG wurde die Weiterbildungsförderung als ein wichtiges Förderinstrument ersatzlos gestrichen bzw. nicht mehr vorgesehen. Nach Ansicht von ver.di besteht jedoch der dringende Bedarf, die Weiterbildungsförderung wieder einzusetzen und deutlich zu stärken.

Bei allen Branchenteilnehmer*innen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass erfahrene Filmschaffende die Branche verlassen und für Filmproduktionen mit ihrem Erfahrungswissen und durch vielfältige Aus- und Weiterbildungen gewonnenen Kompetenzen nicht mehr zur Verfügung stehen. Die erneute Aufnahme einer Weiterbildungsförderung wäre daher ein schon jetzt und nicht erst 2025 dringend benötigtes Förderinstrument ganz im Sinne der obersten Zielsetzung des FFG, die es der FFA zur Aufgabe macht, „die Struktur der deutschen Filmwirtschaft“ sowie „die Grundlagen für die Verbreitung und marktgerechte Auswertung des deutschen Films im Inland und seine wirtschaftliche und kulturelle Ausstrahlung im Ausland zu
verbessern“.

Vor dem Hintergrund der sich rapide wandelnden Produktionstechniken und zunehmenden internationalen Arbeitsteilung bzw. des damit verbundenen Wettbewerbs bei Koproduktionen müssen Weiterbildungsbedarfe von Fachkräften auch gefördert werden. Die Streichung war und bleibt bisher ein vollkommen falsches Signal.

Vielen Filmschaffenden fehlen die Ressourcen, um sich fortzubilden. Für sie muss die berufsbegleitende Qualifikation in der Filmwirtschaft nicht nur durch „learning by doing“, sondern vor allem durch systematische und qualitative Weiterbildungen erreicht werden. Damit kann auch das Potenzial der in Deutschland ansässigen Filmschaffenden im internationalen Wettbewerb der Kinoproduktionen gestärkt werden. Aufgrund der spezifischen Betriebs- und Beschäftigungsstruktur muss an diese Stelle idealerweise die Filmförderung tätig werden.

ver.di schlägt daher ein Sonderbudget zur Weiterbildungsförderung vor, das das Volumen der bisherigen Filmförderung nicht mindert. Aufgrund der Länderkompetenz in Bildungsfragen sollte die Förderung im Rahmen der in den Bundesländern und Kommunen der Filmstandorte durchgeführte Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Damit würde ein zusätzlicher finanzieller Hebel für eine möglichst hochwertige Ausstattung der Fördermaßnahmen angesetzt werden und zugleich für die Filmschaffenden eine möglichst kostengünstige Inanspruchnahme der Weiterbildung zur Verfügung gestellt werden können.

Die Hoheit über die Fördermaßnahmen sollte weiterhin bei den jeweiligen Weiterbildungsträgern liegen. Die FFA könnte jedoch in koordinierender Funktion sicherstellen, dass das Weiterbildungsangebot den Standards und Erwartungen internationaler Kinofilmproduktionen entspricht. Hierfür kann auch eine Weiterbildungskonferenz auf Bundesebene sinnvoll sein. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, für Filmschaffende einen transparenten Überblick über die regional angebotenen Weiterbildungen zu schaffen.

Mit diesen Vorschlägen rücken die Menschen, die mit ihrer Inspiration und individuellen Erfahrung Filme entwickeln und herstellen und damit eine lebendige Filmkultur schaffen, stärker als bisher in den Fokus des FFG. Wir hoffen auf eine lebhafte Diskussion zur künftigen Ausrichtung des Filmförderungsgesetzes und stehen für den weiteren Austausch gerne zur Verfügung.

Berlin, 13. März 2024
Kontakt:
Matthias von Fintel
Leiterin Bereich Medien, Journalismus und Film
ver.di-Bundesverwaltung – Fachbereich A
Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
matthias vonfintel@verdi.de